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Amot Nussquammer sen.

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Amot gemalt von d'Aciel Arbogast 1892

Skizze einer intellektuellen Biografie von Amot Nussquammer sen.

Verfasst von David Krieger & Simon Meyer aufgrund verschiedenster Quellen und Zeugnissen


Amot Nussquammer (sen.) (1860 bis 1952) war ein Anthropologe, Ethnograf und Philosoph. Er war von 1892 bis 1920 mit Amalie Soppenweiler und von 1940 bis an sein Lebensende mit Miribal Ciséan verheiratet und der Vater von Amot Nussquammer jun..


Nussquammer ist vor allem durch seine Beiträge zur Erforschung und Interpretation der Nienetwiler-Kultur bekannt, die in den ersten Cahiers de recherches de Nienetwil (1920 - 1932?), die wohl leider die Zerstörungen des 1. und 2. Weltkriegs nicht überlebt haben, bezeugt sind. Weitere Zeugnisse des Lebens und Arbeitens von A. Nussquammer sen. sind aus seinem Nachlass entnommen, aus Briefen von seinem Sohn, A. Nussquammer jun., aus dem noch erhaltenen Briefverkehr zwischen Nussquammer und d'Aciel Arbogast I, mit dem er die Cahiers de recherche de Nienetwil begründete und mit dem Nussquammer jahrelang kollaborierte. Zudem werden persönliche Mitteilungen von A. Nussquammer jun. und Miribal Ciséan, die zweite Frau von Nussquammer, an David Krieger, soweit relevant für das Verständnis von Nussquammers intellektueller Entwicklung, beigezogen.

Da die Aufarbeitung und Sichtung des Nachlasses von Nussquammer nicht abgeschlossen ist, bleibt dieser Versuch einer intellektuellen Biografie zwangsläufig provisorisch und fragmentär.

Jugend

Soweit wir wissen, ist Nussquammer nicht der tatsächliche Familienname, da Amot seinen Namen von Jesuitenpatern gegeben wurde. Er war nämlich 1860 als Findelkind vor dem Tor eines Jesuitenklosters im spanischen Galicien aufgefunden worden. Da er durch seine helle Haut und rötlichen Haare germanisch aussah, nannten ihn die Pater Amot. Da er scheinbar aus dem Nichts erschienen war, nannten sie ihm Nussquammer, von lateinisch nus quam = nirgendwo.
Die Jesuiten, vor allem der junge Pater Ignacio Martes, der sein Mentor werden sollte, erzog Amot nicht nur im christlichen Glauben, sondern auch in der Wissenschaft, da die Jesuiten in Spanien, wie überall nach der allgemeinen Restauration 1814, welche durch die Bulle «Solicitudo omnium ecclesiarum» von Papst Pius VII. erlassen wurde, vor allem Schulen und Forschungsstätten betrieben.

Es scheint, dass Amot vorhatte, dem Jesuitenorden beizutreten und Priester zu werden. Diese Absichten wurden aber zunichte gemacht, nachdem die Comtesse de Gravenour, eine Anhängerin des Marquis de Sade, eine schicksalshafte Nacht im Kloster verbringen musste. Die Comtesse und ihre Entourage mussten wegen eines Sturmes Zuflucht im Kloster suchen. In dieser Nacht führte die Comtesse den jungen und neugierigen Nussquammer in die Geheimnisse der Sinnlichkeit ein. Schon am folgenden Tag entschied Nussquammer, dass das Zölibat nichts für ihn war, und er bat seinen Mentor, Pater Ignacio, um Erlaubnis, das Klosterverlassen zu dürfen und seine Studien im Ausland fortzusetzen. Pater Ignacio war ein weltgewandter und grosszügiger Mann, von dem Nussquammer sein Leben lang immer nur Gutes sagte, und er zeigte Verständnis für Nussquammers Wünsche. Durch seine Verbindungen zur Universität Freiburg i.Br. ermöglicht er Nussquammer einen Studienplatz. Mit grossem Wehmut verliess Nussquammer das Kloster, das für ihn eine Heimat und seine Familie war, und fuhr 1878 nach Deutschland, um Studien in Philosophie und in den Sprachwissenschaften aufzunehmen.

Studienjahre

Im Freiburg lernte Nussquammer Rudolf Martin kennen, mit dem er bis an sein Lebensende immer wieder Kontakt hatte. Martin schrieb einmal, dass Nussquammers «... unglaublichen Sprachenkenntnisse, seine Sprachgewandtheit und Phantasie wie ein kreischender Frühlingsmorgen sei, in der Eintönigkeit der Freiburger Universitäts-Stehkragen Umgebung». Nach Abschluss seines Studiums 1885 (seine Dissertation «Zwischen Francis Bacon und Thomas Hobbes. Eine weltanschauliche Interpretation der Naturphilosophie aus Sicht des Wolffianismus» erntete grosses Lob. Leider ist die Schrift unauffindbar. Sein Freund Rudolf Martin, der sich als Kantianer bezeichnete, erwähnte Nussquammer in den «Philosophischen Schriften der Universität Freiburg im Breisgau», Ausgabe 2, 1886.

Ebenfalls Martin war es, der Nussquammer dazu überredete, nach München, an das von Johannes Ranke 1886 neu eröffnete Institut der Anthropologie und Urgeschichte zu wechseln. Beide begannen dort ein Studium der Anthropologie, das sie bei Ranke abschlossen. Nussquammers Dissertations-Vorschlag mit dem Titel «Der Ursprung der Sprachdiversität aus der Babylonischen Sprachverwirrung» betrachtete Ranke als Affront und zwang ihn zu einer Arbeit mit dem Titel «Die Rundschädeligkeit des Zentraleuropäischen Homo sapiens, eine Erfassung aller steinerner Leiber und Knochen». Nach dem abgeschlossenen Studium der Anthropologie und Urgeschichtlichen Forschung 1890 zog Nussquammer sen. in die Schweiz, um dort Forschungen im Mittelland und in den Alpen zu betreiben.

Nienetwiler-Forschungen

Da hörte er zum ersten Mal von der kontroversen Entdeckung einer sehr, sehr alten und kaum erforschten Kultur und deren Entdecker d’Aciel Arbogast. Dieser soll gesagt haben: «Es ist hier eine Kultur verborgen, allen unbekannt. Ich will wissenschaftlich ergründen, was mein Herz schon weiss: dass sie in Gefahr ist!».
Aus verschiedenen Gründen konnte Nussquammer Arbogast, der häufig auf Forschungsreisen war, zu dieser Zeit nicht treffen. Er verliess die Schweiz, zog nach Frankreich, Berlin und Wien. In Wien taucht er zusammen mit d'Aciel Arbogast im «Hotel Kaiserhof» auf. Dies war ca. 1892, da ein Porträt, das angeblich Nussquammer abbildet und von Arbogast stammt, um dieses Jahr datiert ist. Es gibt später eine lebhafte und streitsame Auseinandersetzung in Briefform, die er mit Arbogast hatte. Nussquammer, einerseits auf der Suche nach der Nienetwiler Kultur, anderseits bestrebt, in die Forschungen auch das Religiöse einfliessen zu lassen, geriet in den Argumentationen immer wieder hart an seinen glaubensfreien Freund Arbogast. Eine Anekdote aus dieser Zeit zeigt diese spannungsgeladene Beziehung. Nach einer besonders heftigen Auseinandersetzung rief Arbogast aus, Nussquammer sei kein Wissenschaftler, sondern ein Dichter, da er die Mythen mehr als die Wahrheit liebe. Nussquammer soll darauf geantwortet haben, es sei besser, die Wahrheit in alten Geschichten zu suchen, als ein gottloser Mensch zu sein. Daraufhin gingen die zwei Männer im Streit auseinander und redeten monatelang nicht mehr miteinander. Nur unter Druck vom Verleger der Cahiers de recherches de Nienetwil nahmen die beiden wieder Kontakt miteinander auf und setzten ihre Zusammenarbeit vor.

Einen grossen Einfluss auf die Ideen von Nussquammer hatte dessen erste Frau Amelie (geb. Soppenweiler), die Nussquammer kurz nach Abschluss seines Studiums in München kennengelernt hatte. Amalie stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Lübeck und ermöglichte Nussquammer die finanzielle Freiheit, die er brauchte, um seinen wissenschaftlichen Interessen nachzugehen.

Da die Ehe kinderlos blieb, tröstete sich Amalie mit Tierliebe. Sie zogen aufs Land, wo Amalie eine Art privaten Zoo einrichtete. Sie beheimatete viele Tiere, darunter Affen. Die Beobachtung, wie die Tiere, vor allem die Affen, untereinander «kommunizierten», d. h. ihre Laute und Gebärden, überzeugte Nussquammer, dass die Tiere auch eine eigene «Sprache» hatten. Diese Idee fand in den Schriften von Darwin Unterstützung. Dies stellte aber Nussquammer vor das Problem, wie die Tiere eine Sprache haben könnten, wenn Gott nach den Heiligen Schriften und auch nach der Meinung vieler Sprachwissenschaftler die Sprache gerade nur dem Menschen gab. Aristoteles hatte bekanntlich den Menschen als das Tier, das die Sprache hat, zoon logon echon bestimmt. Als Gott Adam kreierte, gab er ihm die Sprache. Wie konnten dann die Tiere auch eine Sprache haben und wie könnte die menschliche Sprache, wie Darwin suggerierte, über lange Zeit der Evolution aus den Tiersprachen entstanden sein? Diese Fragen liessen Nussquammer nicht los, bis er per Zufall auf eine Antwort stiess. Nach der ersten Begegnung mit Arbogast, wo die beiden sich gut verstanden hatten, vor allem, weil Nussquammer sich sofort für die Entdeckungen von Arbogast über eine Kultur interessierte, die dieser «Nienetwil» nannte, trat Nussquammer eine Studienreise nach Indien an. Er hatte schon Sanskrit an der Universität Freiburg gelernt, aber die Sprache und die Kultur der Hindus blieben ihm rätselhaft und verborgen. Deswegen entschloss er sich, nach Indien zu gehen und das Studium der altindischen Sprache und Kultur aufzunehmem, wiederum organisiert von seinem Mentor Pater Ignacio, unter der Leitung von Swami Devananda Saraswati in seinem Ashram in Mysore. Obwohl der Swami Sannyasin war und allen Ritualismus ablehnte, hatte er grossen Respekt für die altbrahmanischen Gebräuche und Riten. Das tägliche Leben im Ashram war nicht nur den Studien der Veden gewidmet, sondern auch von den brahmanischen Riten begleitet. Bei den Brahmanen lernte Nussquammer die altindische Kosmologie kennen, nach der Gott, der als Purusha, d. h. Grosser Mensch, die Welt erschuf, indem er durch eine rituelle Selbstzerstückelung alle Kreaturen aus seinem Leib hervorkommen liess. Diese Idee, gekoppelt mit der vedischen Lehre der All-Einheit, gab Nussquammer die Antwort auf seine Fragen betreffend den Ursprung der Sprache. Es gibt keinen Grund, so überlegte sich Nussquammer, warum Gott nur Adam alleine und nicht allen Kreaturen die göttliche Gabe der Sprache bei der Schöpfung gegeben hatte. Die Sprache, wie das Bewusstsein, wie die Hindus glaubten, wohne jedem Wesen inne, nur auf verschiedene Art. Deswegen könnten die Tiere in Amalies Zoo kommunizieren. Deswegen könnte sich die menschliche Sprache, wie Darwins Evolutionslehre vermuten liess, aus der Sprache der Tiere, die ja nach archäologischen Befunden viel älter waren als die Menschen, entwickelt haben. Mit dieser Überzeugung kehrte er aus Indien zurück und nahm seine Kollaboration mit Arbogast über Nienetwil auf. Über die Kollaboration zwischen Nussquammer und Arbogast und die Publikationen in den Cahiers de recherches de Nienetwil wird an anderer Stelle berichtet. Hier geht es nur darum, die für den intellektuellen Werdegang Nussquammers wichtigsten Meilensteine zu benennen.

USA

Nach dem Tod von Amalie 1920 zog Nussquammer sich zurück in eine Wohnung in Paris. Kurz danach siedelte er in die Schweiz um, damit er Arbogast bei seinen verschiedenen Ausgrabungen helfen konnte. 1940 fiel Frankreich im «Blitzkrieg» Hitlers und die Situation in der Schweiz wurde prekär. Nussquammer wanderte nach Amerika aus. Er reiste aber nicht alleine, denn Miribal Ciséan, mit der er eine romantische Beziehung hatte, wurde schwanger und Nussquammer heiratete sie, um das Kind und sie vor der Zerstörung des Krieges zu retten. In den Akten des Kantonsmuseums Luzern befindet sich eine Postkarte einer Miribal Ciséan vom 6. Mai 1940 Paris: «Amot. Hitler steht vor der Tür. Ich komme in die Schweiz. Ich bin schwanger. jt miribal». Sie kamen 1940 in New York an. Danach reisten sie nach Illinois und liessen sich in der Nähe von Chicago nieder. Das Kind kam 1941 zur Welt und wurde nach seinem Vater ebenfalls Amot getauft. Miribal arbeitete während des Krieges als Übersetzerin und lernte dabei an der Universität von Illinois Champaign/Urbana W. Ross Ashby, Heinz von Foerster und andere, die sich für die neu entstehende Wissenschaft der Kybernetik interessierten, kennen. Ein Einfluss von kybernetischen Ideen auf die späten Arbeiten von Nussquammer kann nicht ausgeschlossen werden.

Amot Nussquammer starb 1952 in hohem Alter.

Der Sohn Amot Nussquammer jun. studierte an der Universität von Chicago unter Mircea Eliade und führte seines Vaters Beiträge zu Erforschung von Nienetwil weiter. In den 1980er-Jahren wanderte er nach Argentinien aus, wo er eine Tangotänzerin kennenlernte. Sie heirateten und zogen nach Rio de Janeiro, wo Nussquammer zusammen mit seiner Frau bis zu seinem Tod 2011 eine der erfolgreichsten Samba-Schulen führte. Sein Sohn, der gegenwärtig die Samba-Schule führt, hat sich bereit erklärt, die vielen hinterlassenen Papiere seines Vaters, die mit Nienetwil zu tun haben könnten, dem Kantonsmuseum Luzern, das auch den Nachlass von Arbogast verwaltet, zu übergeben. An dieser Stelle endet dieser erste Versuch einer intellektuellen Biografie von A. Nussquammer sen., da die Aufarbeitung der verschiedenen Zeugnisse nicht abgeschlossen ist und die Suche nach den verlorenen Cahiers de recherches de Nienetwil weitergeht, und weil die nachgelassenen Papiere von Nussquammer jun. noch nicht vollständig vorhanden sind.

Bilder von Amot Nussquammer sen.